Zeitlebens erlangte der Lehrer Agostino Fasciati über die Grenzen des Bergells hinaus Bekanntheit als Politiker. Während seiner Lehrtätigkeit in Bergamo rund um die Jahrhundertwende schnappte er das sozialistische Gedankengut der Arbeiterbewegung auf. Inspiriert und begeistert wollte er diese Ideen in seine Heimat bringen und so die wirtschaftliche und soziale Lage der Bergbauern verbessern.

1912 lies er sich als Lehrer in seinem Heimatdorf Soglio anstellen. Unterstützt von Gaudenzio Giovanoli, einem weiteren Bergeller Sozialist, politisierte er als Bürgermeister von Soglio, später als Präsident des Kreises Bergell und gar als Abgeordneter im Grossen Rat im Kantonsparlament Chur. Mit seinen Ideen biss er im abgelegenen Bergtal immer wieder auf harten Bergeller Granit. Trotzdem gelangen ihm und seinem Mitstreiter Giovanoli einige kleine Erfolge – wie beispielsweise die Gründung einer Konsumgenossenschaft im Tal.

Fasciatis politische Gesinnung brachte ihm viele Widersacher. So fand seine Lehrtätigkeit in Soglio ein bitteres Ende, da die Oberschule geschlossen wurde – nicht mangels Schülerinnen und Schüler, sondern um den Lehrer samt seinen Überzeugungen loszuwerden. Er machte aus seiner Ernüchterung über die Ungerechtigkeiten keinen Hehl und war bekannt als Polemiker mit bissiger, ironischer Sprache.

Während über Fasciatis politisches Engagement viel bekannt ist, fristet seine Tätigkeit als Fotograf ein Schattendasein. Umso erstaunlicher ist es, dass das Archiv der Società Storica Bregaglia (SSB) über Umwege an rund 3000 Glasnegative des Fotografs gelangt ist. Einige Dutzend davon wurden ausgewählt, aufbereitet und zieren nun die Gassen Soglios. Die Fotografien laden zu einer Zeitreise in den Alltag der Menschen von Soglio vor rund hundert Jahren ein. Noch bis am 20. Oktober 2024 können sie in Soglio bestaunt werden. Weitere Informationen unter: www.societastoricabregaglia.ch